In Saudi Arabien hat sich beim Thema Frauenrechte über Jahrhunderte nichts bewegt. Entsprechend muss man es beinahe revolutionär nennen, was sich in den letzten Wochen und Monaten dort veränderte.

"Schon" seit 2009 wurden Frauen in Regierungsämter berufen, wenn auch bisher so gut wie keine wichtigen Ministerien von Frauen geleitet wurden. Seit 2013 besteht ein Fünftel des Schura-Rates, einer Art Parlament mit beratender Funktion, aus Frauen. Die ersten Frauen zogen 2006 in dieses Gremium. 2011 erhielten Frauen das aktive Wahlrecht, 2015 das passive. Allerdings gilt dies nur für kommunale Wahlen und den zur Wahl erforderliche Ausweis können Frauen nur mit Hilfe ihres Mannes beantragen.

Seit Juli 2017 erlaubt das Bildungsministerium, dass Mädchen am Sportunterricht teilnehmen dürfen. Kaum bekannt wurde, dass zum 87. saudischen Nationalfeiertag im September 2017 erstmals Frauen zu den Feierlichkeiten ins Stadion gelassen wurden. Dazu wurde exra ein separater Bereich für Familien eingerichtet. Ansonsten herrscht weiterhin Geschlechtertrennung in allen öffentlichen Bereichen. Ob Stadionbesuche von Frauen zu anderen Veranstaltungen in näherer Zukunft erlaubt werden, ist unklar. Nur wenige Tage machte Saudi Arabien mit der Ankündigung von sich reden, dass man Frauen auch das Autofahren erlauben möchte. Dies gilt jedoch nicht ab sofort, sondern erst ab voraussichtlich Juni 2018. Vorher müssen noch einige Dinge geklärt werden. Was etwa passiert, wenn ein männlicher Polizist eine Fahrerin wegen einer Geschwindigkeitsübertretung anhält? Sprechen dürfen die beiden nämlich nicht miteinander.

Geschäftsfähig sind Frauen weiterhin nicht in Saudi Arabien. Bis zur Heirat ist der Vater (teilweise auch Brüder oder andere nahe (männliche) Verwandte) der Vormund, mit der Heirat geht die Vormundschaft auf den Ehemann über. Der Vormund ist aber auch mitverantwortlich für Gesetzesbrüche der Frau.

Werfen wir einmal einen Blick auf die Demografie des Landes: Es gibt zwar einen Männerüberschuss im Land, aber der liegt, wie bei vielen anderen Golfstaaten, hauptsächlich daran, dass sehr viele Gastarbeiter ins Land kommen und die zum überwiegenden Teil männlich sind. Seit 1966 haben Frauen Zugang zu Schulbildung und inzwischen studieren an den Universitäten des Landes mehr Frauen als Männer. Trotzdem liegen die Frauen bei der Alphabetisierung zurück, was auf die schlechte Bildung der älteren Generationen zurückzuführen ist. In den meisten Vorlesungssälen sucht man Frauen jedoch vergebens, es sei denn, es handelt sich um reine Frauenunis. An "gemischten" Unis verfolgen die Frauen Vorlesungen über Leinwände, da ihnen der Kontakt zu Männern, mit denen sie nicht verwandt oder verheiratet sind, verboten ist. Ein Großteil der Lehrkräfte ist heute weiblich.

Obwohl das Durchschnittsalter der Frauen niedriger liegt als das der Männer haben Frauen, wie in den meisten anderen Teilen der Welt auch, eine höhere Lebenserwartung.

Es gibt tatsächlich Bereiche, in denen die Frauen in Saudi Arabien besser gestellt sind: Bei Scheidungen sind Männer unterhaltspflichtig, der (geschiedene) Mann kann von seiner Ex-Frau keinen Unterhalt fordern, unabhängig von deren Vermögen. Häufig werden schon bei der Heirat die Konditionen für die Scheidung vertraglich festgelegt, aber auch, was im Falle einer weiteren Heirat des Mannes aus der Frau wird, denn der kann in Saudi Arabien mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein.

Als treibende Kraft hinter den oben genannten Reformen wird Kronprinz Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud gehandelt, auf dem die Hoffnungen vieler für eine weitere Öffnung des Landes liegen. Die Änderungen stoßen aber nicht bei allen auf Freude und so mancher Kronprinz verschwand eines Tages wieder in der Versenkung. Der 1985 geboren Mohammed bin Salman ist auch aufgrund seines Alters eine Ausnahme in der bisherigen Nachfolgeregelung des Königshauses Al Saud, bisher kamen für eine solche Position nur Männer im Rentenalter in Frage,

Inwieweit sich Saudi Arabien weiter öffnet, Frauen mehr Rechte einräumt und wie lange diese Änderungen dauern, ist völlig offen. Wieviel Änderung hält das Land aus? In unserer Gesellschaft hat dieser Prozess Jahrzehnte gedauert. Selbst in Deutschland ist es noch nicht so lange her, da mussten Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten, wenn sie etwa den Führerschein machen wollten oder einen Arbeitsplatz annehmen wollten. Schließlich würden sie dadurch ja ihre ehelichen Pflichten vernachlässigen...